11. Der kleine Muck

Wilhelm Hauff

Zusammenfassung

Muley kannte als Kind in seiner Heimatstadt Nicea einen kleinwüchsigen Sonderling, genannt „der kleine Muck“. Dieser lebte alleine in einem Haus, das er nur selten verließ. Durch seine körperliche Missgestalt und seine unpassende Kleidung zog er den Spott von Muley und dessen Kameraden auf sich. Nachdem sie es eines Tages zu schlimm getrieben hatten, kündigte Muleys Vater an, eine Geschichte zu erzählen, damit sein Sohn nicht mehr über den kleinen Muck lache. Vorher und nachher gäbe es „das Gewöhnliche“: je fünfundzwanzig Hiebe mit einem Pfeifenrohr. Als die ersten 25 voll waren, begann der Vater mit seiner Erzählung:

Mucks Vater Mukrah war ein angesehener, aber armer Mann, der beinahe so einsam lebte wie jetzt sein Sohn. Er schämte sich wegen der Zwergengestalt Mucks und gab ihm deshalb keine Ausbildung. Als der Vater nach einem Sturz starb, zogen seine Verwandten, denen er viel Geld schuldete, das Erbe ein, und Muck erhielt nur einen Anzug mit weiten Hosen, breitem Gürtel, einen Mantel, einen Turban und einen Damaszenerdolch, den er in den Gürtel steckte. Sein Vater war groß, und so schnitt Muck die für ihn zu langen Hosenbeine und Ärmel einfach ab, ohne etwas in der Weite zu ändern. Danach verließ er die Stadt, um sein Glück zu suchen, wie es ihm seine Verwandten rieten. In einer fremden Stadt fand er Unterkunft und eine Anstellung bei der sonderbaren Frau Ahavzi, deren Katzen und Hunde er zu versorgen hatte. Nachdem er einen verbotenen Raum betreten und dort versehentlich den Deckel einer kristallenen Schale zerbrochen hatte, beschloss er, aus dem Dienst zu fliehen. Er hielt sich aber für vorenthaltenen Lohn und ungerechte Bestrafungen schadlos, indem er zwei Gegenstände aus diesem Raum mitnahm, die, wie sich herausstellte, magische Kräfte besaßen: ein Paar Pantoffeln, in denen er schneller als jeder andere Mensch laufen und zu jedem beliebigen Ort fliegen konnte, und einen Spazierstock, der vergrabene Schätze anzeigte. In einer anderen Stadt erlangte er dank seiner Pantoffeln die Gunst des Königs und eine Stellung als Kurier, zog aber auch den Neid der übrigen Bediensteten auf sich. Als der kleine Muck einen vergessenen Schatz im Schlossgarten entdeckte, wollte er sich Freunde mit dem Verteilen von Gold machen, wurde aber bald des Diebstahls bezichtigt und ins Gefängnis geworfen. Auf Diebstahl königlichen Eigentums stand der Tod; er konnte jedoch sein Leben retten, indem er den König über die Macht des Stöckchens und der Pantoffeln aufklärte. Da er dem König jedoch nicht zeigte, wie die Pantoffeln anzuhalten seien, lief sich dieser in ihnen ohnmächtig. Aus Ärger darüber beschlagnahmte der König die Zaubergegenstände und jagte Muck außer Landes. Nach acht Stunden Fußmarsch erreichte dieser die Grenze des kleinen Landes. Durch Zufall entdeckte Muck bald darauf in einem Wald zwei Feigenbäume, mit deren Früchten er Vergeltung üben konnte: Der Genuss der einen Sorte Feigen ließ einem Menschen riesige Eselsohren und eine lange Nase wachsen; durch Essen von Feigen des anderen Baumes wurde die Gestalt wieder normal. Als Händler verkleidet, schmuggelte er die erste Sorte der Feigen auf die Tafel des Königs, um wenig später als Gelehrter die zweite Sorte als Heilmittel für die Missbildungen des Königs und seines Hofstaates anzubieten. Nach einem Beweis der Wirksamkeit seiner Kur führte der König den kleinen Muck in die Schatzkammer, damit dieser sich eine Belohnung aussuche. Muck ergriff sofort seine Zaubergegenstände, gab sich zu erkennen und flog mithilfe der Pantoffeln in seine Heimat zurück – den treulosen König zur Strafe mit missgebildetem Gesicht zurücklassend. Seitdem lebte er in seiner Vaterstadt in großem Wohlstand, aber einsam, weil er die Menschen verachtete. Der kleine Muck sei durch Erfahrung weise geworden, beendete der Vater seine Erzählung, und verdiene deshalb mehr Bewunderung als Spott.

Der Vater verzichtete auf die restliche Hälfte der Strafe, und Muley erzählte die Geschichte Mucks seinen Kameraden. Auch diese waren beeindruckt: „Wir ehrten ihn, solange er lebte, und haben uns vor ihm immer so tief als vor Kadi und Mufti gebückt“.